Celine van Till: «Auf dem Dreirad fühle ich mich frei»
Celine van Till hat bereits als Kind von Olympia geträumt. Nach einem folgenschweren Reitunfall im Junioren-Nationalkader hat sich die junge Genferin durch den Para-Sport zurück ins Leben gekämpft: Seheinschränkungen, Gleichgewichtsstörungen, Laufen musste sie neu lernen. In der Para-Dressur fand sie ihre neue Leidenschaft, in der Para-Leichtathletik eine neue Herausforderung. Im Para-Cycling hat sie schliesslich ihre Freiheit zurückgewonnen. Celine van Tills Motto: «Alles ist möglich.»
In der aktuellen Ausgabe unseres Newsletters «merci» blicken wir auf die erfolgreiche Sommersaison der Schweizer Para-Athlet*innen zurück, porträtieren den jungen Luzerner Rollstuhlleichtathleten Fabian Blum und stellen der Genfer Weltmeisterin im Zeitfahren einige Fragen:
Nach dem Gesamtweltcupsieg kehrst du von der WM in Glasgow mit Gold und Silber heim. Wie hast du die erfolgreiche Saison erlebt?
Es ist Wahnsinn. Ich hatte früher im Dressurreiten schon an mehreren Weltmeisterschaften teilgenommen, aber meine ersten WM-Medaillen habe ich jetzt im Para-Cycling gewonnen. Natürlich geniesse ich es, aber gleichzeitig ist es eine Etappe für die Zukunft. Ich freue mich riesig auf das, was noch kommt.
Vom Reitsport über die Leichtathletik zum Radsport. Deine Sportkarriere ist gezeichnet von einigen Wechseln. Was reizt dich besonders am Para-Cycling?
Was für mich im Para-Cycling anders ist als in den Sportarten, die ich vorher ausgeübt habe, ist, dass ich mich auf dem Dreirad frei fühle. In der Leichtathletik war die Kontrolle sehr wichtig für mich, da schnell laufen für mich sehr kompliziert ist und ich den Druck spürte, nicht zu stürzen. Im Radsport habe ich ein besseres Gefühl von Gleichgewicht. In den Kurven muss ich natürlich auch auf dem Dreirad das Gleichgewicht halten, aber das kann ich besser kompensieren. Die Wechsel der Sportarten waren für mich sehr intuitiv. Ich habe dadurch auch viele Erfahrungen gesammelt und ich weiss jetzt, was es braucht, um erfolgreich zu sein.
Was sind deine Ziele für nächstes Jahr?
Natürlich sind die Paralympics in Paris mein Hauptziel. Mit meinem WM-Titel fange ich an, gross zu träumen. Eine Goldmedaille wäre der Hammer. Ich bin so nah dran, aber gleichzeitig ist es noch so weit weg und es braucht so viel. Auch die Weltcup-Rennen möchte ich nächstes Jahr wieder so erfolgreich wie dieses Jahr fahren.
Abseits vom Sport bist du Autorin, Referentin und in der Politik tätig. Wie leicht fällt dir der Spagat zwischen Berufsleben und Leistungssport?
Ich habe mir Prioritäten gesetzt. Meine Priorität ist der Sport. Alles dreht sich um den Sport und muss für den Sport gut sein. Mir bringt es viel, ein gutes Gleichgewicht zwischen Sport und Arbeit zu haben. Wenn es mal im Sport nicht gut läuft oder ich mich von einer Verletzung erholen muss, dann ist es gut, mich auf die positive Arbeit zu stützen. Ich habe sehr viel Spass an allem, was ich mache. Ich bin selbstständig und das erlaubt es mir, Prioritäten für den Sport zu setzen.
Was braucht es, um als Para-Cyclerin erfolgreich zu sein?
Um als Para-Cyclerin erfolgreich zu sein, muss man bereit sein, hart für seine Ziel zu arbeiten und den Sport in den Mittelpunkt zu stellen. Alles, was man im Alltag macht, muss für den Sport gut sein, sonst bringt es nichts. Der Trainingswille ist selbstverständlich.
Du engagierst dich neben dem Para-Sport auch für die Inklusion in der Gesellschaft. Wieviel gibt es diesbezüglich noch zu tun?
Ich engagiere mich seit 10 Jahren für das Thema «Inklusion», als Kantonsrätin im Genfer Parlament möchte ich nun auch mit diesem Thema weiterarbeiten in Verbindung mit dem Sport. Ansonsten bin ich besonders im sozialen Bereich sehr engagiert. Im Allgemeinen geht es viel um die Infrastruktur, die für Menschen mit Handicap verbessert werden muss.
Hast du ein Vorbild?
Meine Mutter. Der Wille meiner Mutter ist stark. Sie hat mir alle Werte des Lebens mitgegeben und hat mich nach meinem Unfall sehr unterstützt. Sie hatte selbst einen Unfall mit dem Pferd, bei dem bekam sie einen Schlag vom Pferd ins Gesicht. Danach habe ich mit ihr alles erlebt, was meine Mutter mit mir erlebt hat. Sie hat sich danach auch wieder zurück ins Leben gekämpft. Ich bin sehr stolz auf sie. Wir sind immer zusammen. Ich schätze ihre Lebensphilosophie sehr. Alle Menschen können Menschen inspirieren und jeder kann von jedem etwas lernen und mitnehmen. Das macht das Leben schön, wenn man dafür offen ist.
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Foto: Gabriel Monnet