Von Peking-Enten, Diplomen und anderen Träumen nach ersten Trainingstagen in Beijing
Kurz vor Beginn der Paralympics und nach den ersten Trainingstagen in Peking waren die Schweizer Medien zu einer speziellen Konferenz geladen. Und sie brachte erstaunliche Erkenntnisse.
Corona und Distanz erfordern spezielle Massnahmen. Wenn also die Paralympics unter Pandemiebedingungen im 8000 Kilometer entfernten Peking stattfinden, ist eine Medienkonferenz kein lauschiges Meeting im Schweizerhaus mit möglichst allen Beteiligten. Es ist ein Online-Event mit einer kleinen Auswahl an Athlet*innen und Betreuer*innen. So wie am Montag, als sich Snowboarderin Romy Tschopp, Langläufer Luca Tavasci, Skifahrer Théo Gmür und Chef de Mission Roger Getzmann den Fragen der aus der Heimat zugeschalteten Medien stellen.
Die Wettkämpfe beginnen erst am Samstag, die Stimmung ist also noch entsprechend gelöst. Klar wird zudem schnell, wie sehr alle die Herzlichkeit geniessen, mit denen sie hier von den vielen freiwilligen Helfer*innen aufgenommen werden. Und egal ob in Yanqing, wo die Alpinen und die Leitung untergebracht sind, oder in Zhangjiakou, wo Snowboard und Langlauf stattfindet - die Athlet*innen fühlen sich in den Villages sehr wohl. Der Bündner Luca Tavasci meint mit seinem trockenen Humor: “Die Wohnung im Village ist so schön und gross, die würde ich gerne mit nach Hause nehmen.”
Bereitwillig gibt das Trio Auskunft. “Ich bin nicht hier, um Peking-Ente zu essen”, sagt Gmür, “ich will Medaillen gewinnen.” Tschopp fehlt zwar grad noch ihr Coach, weil er wegen eines positiven Tests in Isolation ist, “wir konnten aber sehr schnell Ersatz nach Zhangjiakou schicken” sagte Getzmann. Die Baslerin freut sich deshalb nach einem ersten Schreckensmoment wieder sehr auf ihre Wettkämpfe. Weil sie mit einem offenen Rücken zur Welt kam, ist sie als einzige Snowboarderin im Feld im Alltag auf den Rollstuhl angewiesen. Sie kann gewisse Muskelgruppen nicht ansteuern, die Beinstreckung ist schwieriger als bei den Konkurrentinnen, “aber daran arbeite ich umso intensiver”, sagt sie kämpferisch. Ihr Ziel: ein Diplom.
Apropos kämpferisch: Luca Tavasci erzählt, dass für sein Leben keinesfalls die Tatsache wirklich prägend war, dass er wegen einer Aplasie an der linken Hand auf der Loipe nur mit einem Stock unterwegs ist, das sei halt so. “Viel entscheidender hat mich vor zehn Jahren die Diagnose Lymphdrüsenkrebs geprägt”, sagt der Bündner, der während der Chemotherapie seine Matura machte. “Ich hab es geschafft”, sagt Tavasci, “aber nicht allein: die Familie, die Schule, die Freunde, der Sport, das geht nur zusammen.”
Am Samstag starten die Wettkämpfe. Tschopp und Tavasci haben noch etwas Zeit bis zum ersten Einsatz, für Gmür gilt es dann auf der Abfahrt gleich ernst. Er sei mental und körperlich gut drauf, sagt der Walliser, “der Kopf ist frei, nach dem koreanischen will ich nun den chinesischen Traum leben.” In Korea gewann er vor vier Jahren an den Paralympics dreimal Gold.
Um einen Traum ging es am Ende der Medienkonferenz auch beim Chef de Mission. “Wir wünschen uns alle so sehr, dass die ukrainische Delegation es schafft, auch hierher nach Peking zu kommen", sagt Roger Getzmann mit Blick auf den Krieg in Osteuropa. "Es ist extrem tragisch, was dort geschieht und unsere Gedanken sind nicht nur bei den Athlet*innen, sondern bei der gesamten Bevölkerung der Ukraine."
Fotos: Goran Basic