Sechs Medaillen als Ziel für die Schweiz
Vom 24. August bis zum 5. September finden in Tokio die Paralympics statt. In 22 Sportarten wird um 540 Medaillensätze gekämpft. Aus der Schweiz sind 13 Athletinnen und 8 Athleten am Start. Roger Getzmann, Chef de Mission, spricht von sechs Medaillen.
Der Kampf um Medaillen an Paralympics wird zunehmend härter. 2012 gab es für die Schweiz bei den Sommerspielen in London 13, vor fünf Jahren in Rio waren es noch fünf. Und jetzt? “Unsere Prognose geht realistisch von sechs Medaillen aus”, sagt Roger Getzmann, der Schweizer Chef de Mission, vor dem Start der Paralympics in Tokio am 24. August. Den Grund für die sinkende Zahl - 1992 in Barcelona waren es noch 35 Medaillen - sieht Getzmann in der “enormen Professionalisierung weltweit” in der Para-Sport-Szene.
Getzmann ist mit einigen Athlet*innen und Delegationsmitgliedern bereits in Tokio, und er freut sich über die konsequente Art der Organisatoren. “Da wird sehr genau geschaut, dass die Maskenpflicht befolgt und der Abstand eingehalten wird”, sagt er. Die bisher angereisten Teammitglieder würden sich recht sicher fühlen. Natürlich seien die diversen Anlagen und das Paralympic Village noch nicht sehr ausgelastet, aber die Art und Weise, wie alles organisiert sei, das sei vorbildlich. Und zwar steht Japan in Sachen Impfung immer wieder in der Kritik, “aber wir haben heute gehört, dass 72 Prozent von allen Leuten geimpft sind, die an den Paralympics und rund um die Spiele involviert sind”, sagt Getzmann. Er wirkt am Telefon recht gelassen. Nach und nach treffen nun alle Athlet*innen und Betreuer ein, die Spiele können aus Sicht von Swiss Paralympic starten.
Routine in der Leichtathletik
In der Leichtathletik ist das Team stark von Routiniers geprägt. Für Beat Bösch sind es bereits die sechsten Paralympics. Er bewies als Europameister über 100 m im vergangenen Jahr seine starke Form. Manuela Schär ist das grosse Aushängeschild im Frauenteam der Schweizer Para-Leichtathletinnen. Was der vielfachen Welt- und Europameisterin noch fehlt vor der vierten Paralympics-Teilnahme, ist eine Goldmedaille an diesem Event. Die hat sich ihr Teamkollege Marcel Hug vor fünf Jahren in Rio nach mehreren Anläufen gesichert, über 800 m und im Marathon gleich doppelt. In Tokio ist Hug mit einem neuen Rollstuhl am Start, er ist ein gemeinsames Projekt von der ETH Zürich, Orthotec, Sauber, Swiss Side und der Schweizer Paraplegiker Stiftung. Man merkt Hug an, wieviel Spass ihm diese Zusammenarbeit gemacht hat.
Ebenfalls am Start und mit guten Aussichten auf eine starke Platzierung sind Sprinter Philipp Handler, die Rollstuhlathletinnen Catherine Debrunner und Patricia Eachus, sowie Elena Kratter (Sprint) und Sofia Gonzalez (Sprint, Weitsprung). Für Kratter und Gonzalez ist es die erste Paralympics-Teilnahme. Sie möchten die Emotionen nutzen, um ihre mitreissende Art in entsprechende Resultate umzusetzen.
Mit dem Altmeister vorneweg
Im Cycling bestreitet Heinz Frei gar seine zehnten Sommer-Paralympics (neben sechs Teilnahmen an Winterspielen). 15 Goldmedaillen hat er bereits gesammelt. Sandra Graf, Gold im Zeitfahren 2012, durfte 2016 in Rio die Schweizer Fahne bei der Eröffnungsfeier tragen. Als aktuelle WM-Zweite auf der Strasse geht Sandra Stöckli in die Rennen im Fuji Speedway, der am Fusse des Fuji als Motorsport-Rennstrecke gebaut wurde. Tobias Fankhauser gewann in Rio Bronze auf der Strasse, Fabian Recher hingegen feiert Paralympics-Premiere. Zuletzt im Juni an der WM in Portugal hat er mit Bronze auf der Strasse und zwei weiteren Top-9-Platzierungen für Furore gesorgt.
Rookies im Schwimmbecken
Mit forscher Jugend geht die Schweiz in die Schwimm-Wettkämpfe. Leo McCrea (17) und Nora Meister (18) überzeugten allerdings jüngst an der EM in Portugal. Sie gehen voller Zuversicht an ihre ersten Paralympics. Nora Meister gewann nicht nur zweimal WM-Gold, sie stellte über 400 m Freistil auch gleich einen neuen Weltrekord auf.
Erstmals dabei bei Paralympics sind auch Tennisspielerin Nalani Buob, die sich als dreimalige Junioren-Weltmeisterin der absoluten Spitze immer mehr nähert, und Badmintonspielerin Cynthia Mathez. Bei ihr liegt das vor allem daran, dass Badminton erstmals überhaupt im Programm ist. Mit Karin Suter-Erath tritt Mathez im Doppel an, beide spielen auch im Einzel. Für Suter-Erath ist es allerdings keine Premiere - sie war 2004 und 2008 in Peking bereits mit dabei und gewann in Athen Bronze, damals im Tennis.
Ein sehr spezieller Flug
Dressurreiterin Nicole Geiger wird sich dieser Tage vor allem um ihr Pferd Amigo kümmern müssen. Er war mit allen anderen Pferden auf einem speziellen Flug von Frankfurt nach Tokio gebracht worden. Ein Flug nur mit Pferdeboxen anstelle der Passagiersitze.
Sportschützin Nicole Häusler hat sich vor zwei Jahren eine eigene Luftgewehr-Schiessanlage in den Garten gebaut. Sie sicherte sich den Startplatz in Tokio als beste Frau in der Sportklasse H2, wo Frauen und Männer gemeinsam antreten. Und Tischtennisspieler Silvio Keller wurde schliesslich aus dem Urlaub nachnominiert. Der Paralympics-Fünfte von London 2012 profitierte von der Verletzung eines anderen Spielers.
Von den 21 Teilnehmenden aus der Schweiz sind sieben erstmals mit dabei bei diesem Event. Den ersten Einsatz haben am 25. August Schwimmerin Nora Meister über 50 m Freistil (3.30 Vorlauf, 11.45 Uhr Final) und im Tischtennis (mit Silvio Keller) beginnt um 6.45 Uhr die Qualifikation (alle Angaben Schweizer Zeit).
Text: Christian Andiel